SO FUNKTIONIERT DER NFL-DRAFT

Tausende Talente, Fans und auch die Teams fiebern nach dem Super Bowl bereits dem nächsten NFL-Highlight entgegen: Alljährlich im April steht der Draft an, bei dem die Nachfolger von Tom Brady und Co. gesucht werden. Warum braucht es in der NFL den Draft? Wie läuft die Talente-Auswahl ab? Welche Besonderheiten gibt es? sport.de klärt die wichtigsten Fragen zum NFL-Draft.

Was ist der NFL-Draft?

Der Draft ist im US-Sport ein Meeting aller Franchises einer Liga und das gängige Mittel für die Profi-Teams, den Nachwuchs zu verpflichten.
Anders als beispielsweise im europäischen Fußball ist der Amateur- und Nachwuchsbereich nicht vereinsmäßig organisiert, junge Sportler werden stattdessen an High Schools und Colleges ausgebildet.
In einem jährlichen Draft können die Teams der jeweiligen Liga, in diesem Falle der NFL, aus einem großen Pool an College-Spielern Nachwuchstalente für ihre Kader auswählen.
Der erste NFL-Draft fand im Jahre 1936 statt. Die Idee dazu stammt von Bert Bell, damals Head Coach der Philadelphia Eagles und später auch NFL-Commissioner. Er wollte mit der Einführung des Drafts verhindern, dass sich die Top-Talente weiterhin nur den Top-Teams anschlossen.

Wie funktioniert der NFL-Draft?

Gewählt wird traditionell in sieben Runden. In der Theorie hat jedes der 32 Teams in jeder Runde genau einen Pick, also eine Auswahlmöglichkeit.
Die Reihenfolge richtet sich nach dem Abschneiden im Vorjahr. Das schlechteste Team der Vorsaison bekommt den ersten Pick, der Sieger des Super Bowls den letzten.
Der Grund dahinter ist genauso logisch, wie fair. Es geht darum, über Jahre eine ausgeglichene Liga zu schaffen. Schwache Teams sollen die Möglichkeit haben, durch die Verpflichtung der größten Talente den Leistungsnachteil der Vorsaison auszugleichen.
Aufgeteilt werden die sieben Runden auf drei Tage. Am ersten Tag findet einzig die erste Runde statt, es folgen die Runden zwei und drei am nächsten Tag, ehe am letzten Tag die übrigen vier Runden stattfinden.
Am ersten Tag haben die Teams zehn Minuten pro Auswahl, am zweiten Tag sieben Minuten und am letzten Tag nur fünf Minuten.

Wie verändern Trades die Reihenfolge des NFL-Drafts?

In der Praxis ist die Reihenfolge des Drafts meist eine andere. Das liegt daran, dass die Draft-Picks in der NFL einen Großteil der Währung für Spielertransfers darstellen. Spieler werden nicht durch monetäre Ablösen verpflichtet, man tauscht stattdessen Spieler gegen die Draft-Picks und/oder wahlweise eigene Spieler. Vor und auch während des Drafts kann sich die Reihenfolge also stetig verändern.
Ein typisches Beispiel für einen Draft-Pick-Trade wäre: Team A hat den 20. Pick in der ersten Runde, hätte aber gerne den 15. Pick von Team B. Team A bietet also im Tausch für die 15 den eigenen 20. Pick sowie einen Pick aus der nächsten Runde an.
Sollte dieser Trade zustande kommen, hätten beide Teams ihre Picks getauscht und Team B hätte in der folgenden Runde zwei Picks, während Team A keinen Spieler auswählen könnte.
Besonders wertvolle Spieler sind in der Regel mehrere Erstrundenpicks wert. Erst im letzten Jahr erhielten die Houston Texans beispielsweise drei Erstrundenpicks (je einen im Jahr 2022, 2023 und 2024) von den Cleveland Browns für Quarterback Deshaun Watson.
Durch das Tauschen wertvoller Spieler haben die NFL-Teams die Möglichkeit die so genannte "Draft-Munition", also viele Picks, zu sammeln, um das Team bei einem möglichen Umbruch bestmöglich zu verstärken.
So hatten zum Beispiel die New York Giants im Jahr 2020 gleich drei Picks in der ersten Runde.


Welche Spieler stehen beim NFL-Draft zur Auswahl?

Zu Auswahl stehen in jedem Jahr Tausende von Spielern. Das liegt auch an den recht simplen Kriterien der Zulassung. Die Sportler müssen zum einen seit mindestens drei Jahren die High School verlassen haben und dürfen zum anderen im College nicht mehr spielberechtigt sein.
Die so genannten "Underclassmen", also Spieler, die noch nicht vier Jahre am College waren, müssen ihre dortige Spielberechtigung abgeben.
Sollte sich also ein Spieler für den NFL-Draft anmelden, obwohl er das College noch nicht abgeschlossen hat, muss er sich sicher sein, ausgewählt zu werden. Sollte das nämlich nicht passieren, dürfte er zwar zurück ans College, allerdings nur noch als Student, nicht mehr als Sportler.
Um ausgewählt zu werden muss der Spieler nicht unbedingt im Draft selber gepickt werden. Auch nach dem Draft können die Teams die Spieler als sogenannte "undrafted Free Agents" verpflichten. Dies obliegt dann nicht mehr einer bestimmten Reihenfolge, Teams und Spieler können frei verhandeln. Für einen Teil der Spieler veranstaltet die NFL jährlich den NFL Combine, der knapp zwei Monate vor dem Draft stattfindet.
In Indianapolis versammeln sich hierfür neben den Athleten auch Trainer, Ärzte und Scouts der Teams und nehmen die Spieler genaustens unter die Lupe.
Angefangen von physischen Tests, wie den berühmten 40 Yard Dash, über spielerische Übungen bis hin zu medizinischen Untersuchungen und persönlichen Gesprächen ist alles dabei, was den Teams hilft, sich ein genaues Bild der Spieler zu machen.

Wieso ist der NFL-Draft so wichtig?

Für die NFL-Teams ist der Draft eine große Chance, sich in der Spitze und in der Breite zu verbessern und das mit talentierten (und vergleichsweise preiswerten) Spieler.
Die Verträge für Rookies sind nämlich deutlich günstiger, als die eines Spielers, der sich in der NFL schon bewiesen hat und sein Gehalt frei verhandeln kann - ein wichtiger Faktor vor allem vor dem Hintergrund der Gehaltsobergrenze.
Die finanzielle Komponente und auch die Chance mit einem guten Pick direkt viel Qualität zu gewinnen, macht den Draft für die NFL-Teams besonders wichtig.

Wie ist die Sicht der Spieler auf den NFL-Draft?

Für die Spieler ist der Draft sogar noch wichtiger als für die Teams. Im Endeffekt ist der Draft die beste Chance für einen Footballer, es in die NFL zu schaffen. Wird ein Athlet in einer der sieben Runden gewählt, macht er die Vorbereitung bei seinem Team mit und hat die Chance sich zu beweisen. Doch nicht nur die Tatsache des Picks ist wichtig, auch die Frage, wann man ausgewählt wird, kann das Leben des jungen Sportlers verändern. Ein früherer Pick bedeutet nämlich schlicht und einfach mehr Geld für den Spieler.
Als Beispiel: Der Vertragswert für Travon Walker, erster Pick des Vorjahres, liegt bei 41 Millionen Dollar, während George Karlaftis, der als 30. vom Board ging, "nur" knappe 13 Millionen Dollar verdient.

Was sind Compensatory Picks im NFL-Draft?

Wie erwähnt hat jedes Team in der Theorie pro Runde einen Pick. Ganz so einfach ist es in der Praxis aber doch nicht. Schuld sind die so genannten Compensatory Picks. Diese Picks werden vor dem Draft durch die NFL vergeben und können am Ende der Runden drei bis sieben liegen.
Auch hier ist das Ziel, mehr Chancengleichheit herzustellen. Deshalb werden die Teams mit einem solchen Compensatory Pick bedacht, die in der Offseason des Vorjahres einen oder mehrere wichtige Spieler an andere Franchises verloren haben.
Für die Compensatory Picks werden gewisse Kriterien herangezogen. Für jedes Team kann es maximal vier Compensatory Picks geben.
Ausschlaggebend für die genaue Vergabe der Picks ist eine komplizierte mathematische Formel, die die NFL geheim hält. Eine Rolle spielen aber Dinge wie das Gehalt und Spielzeit des Spielers beim neuen Team.
Zudem gibt es auch Picks für einen abgeworbenen Minority Coach, wenn dieser woanders Head Coach oder General Manager wird. Diese zählen on top zu den maximal vier erreichbaren Picks durch Spielerverluste.


Wann und wo findet der NFL-Draft 2023 statt?

Der diesjährige Draft findet nach deutscher Zeit am 29. und 30. April statt.
Die erste Runde wird in der Nacht von Donnerstag auf Freitag um 2:00 Uhr stattfinden, der zweite Draft-Tag beginnt 23 Stunden später um 1:00 Uhr, während die letzten vier Runden in Deutschland am selben Tag bereits um 18:00 Uhr starten. Austragungsort ist in diesem Jahr Kansas City.
In den letzten Jahren fand der NFL-Draft immer in verschiedenen Städten statt. Das war allerdings nicht immer so: Zwischen 1965 und 2014 stieg das Event beispielsweise immer in New York City.

Welche Überraschungen gab es in der Vergangenheit beim NFL-Draft?

In nahezu jedem Jahr gibt es im NFL-Draft Überraschungen. Seien es Spieler, die früh gepickt werden, in der Liga dann aber Probleme haben oder auch spät ausgewählte Akteure, die dann für Furore sorgen.
Der berühmteste Fall in diesem Szenario ist natürlich Tom Brady: Der NFL-Superstar, der seine Karriere jüngst nach über 20 Jahren und sieben Super-Bowl-Titeln beendete, wurde im Jahr 2000 erst an 199. Stelle von den New England Patriots gedraftet.
Ein aktuelles Beispiel ist Brock Purdy. Der Quarterback der San Francisco 49ers wurde im Vorjahr zu "Mr. Irrelevant", also zum letztgewählten Spieler im gesamten NFL-Draft.Als solcher schaffte er es nicht nur in den Kader der Kalifornier, er führte die 49ers spät in der Saison sogar in das NFC Championship Game, in dem er sich allerdings früh verletzte und zusehen musste, wie sein Team gegen die Eagles verlor.
Unter den Tausenden Talenten solche Überraschungen zu finden, das ist die hohe Kunst des NFL-Drafts. Für die Scouts der Teams gehört viel Arbeit und auch ein wenig Glück dazu, um die Stars von Morgen auszuwählen.